Filmempfehlung: Soldaten des Lichts
“Verschwörungsmythen werden geglaubt, nicht obwohl, sondern weil sie erfunden sind und weil sie im Widerspruch zu allen Erkenntnissen stehen, die mit der Realität korrespondieren.”1
“Der psychische Gewinn, den der Leser aus alldem ziehen soll, liegt, abgesehen von der Möglichkeit unbewußter Befriedigung des Destruktionstriebes durch die angedeutete Drohung selber, in dem Versprechen von Hilfe und Linderung durch eine übermenschliche Instanz. Der Gehorsam ihr gegenüber erspart ihm, wie ein autonomes Wesen sich zu verhalten: er kann dabei sich beruhigen, daß ihm das Schicksal alles abnimmt. Betrogen wird er um die eigene Verantwortlichkeit.”2
Der Dokumentarfilm Soldaten des Lichts (Regie und Drehbuch von Julian Vogel und Johannes Büttner) macht auf bedrückend-eindrückliche Weise deutlich, wie sehr die in beiden Zitaten zum Ausdruck kommende Einsicht – dass die antirationale Unterwerfung unter (Verschwörungs-)Ideologie mit einem subjektiven psychischen Gewinn verknüpft ist – am Beispiel der sich überschneidenden Esoterik- und Reichsbürgermilieus deutlich.
Dabei kann der Gewinn, wie bei dem Protagonisten der Dokumentation, dem rohveganen Influencer David, auf materielle Bereicherung und ein narzisstisches Selbstbild zielen: Mit dem Versprechen von Wunderheilung verkauft er überteuerte Präparate, als Reichsbürger glaubt er, keine Steuern zahlen zu müssen und keinen Regulierungen zu unterliegen, als charismatischer Scharlatan sammelt er eine Anhängerschaft von Bedürftigen um sich, die er ausbeutet. Sich selbst überhöht er mit der Vorstellung, über nahezu allumfassendes Geheimwissen zu verfügen.
Der psychische Gewinn kann allerdings kehrseitig auch einer der Entlastung sein: An die Wunderheilung zu glauben, den Zwängen des Alltags in der Welt der Reichsbürger scheinbar entfliehen zu können. Wie nah diese gemeinschaftliche Unterwerfung unter Irrationalität, Verschwörungserzählungen und deren Propheten an den pathologischen Wahn grenzt, zeigt das traurige Beispiel Timos, eines Anhängers Davids, der im Zuge seiner Radikalisierung in das Milieu hinein eine psychische Störung entwickelt, aus der er nicht mehr herausfindet.
Eine pädagogische oder politisch einordnende Perspektive macht der Film kaum auf, bleibt stattdessen nah bei seinen Protagonist*innen, denen er neutral und naturalistisch folgt. Das antidemokratische, autoritäre und antisemitische Grundrauschen und Potential des Milieus wird trotzdem deutlich: Im manichäischen Weltbild, dem Geschichsrevisionismus und den mit völliger Selbstverständlichkeit vorgetragenen, von antisemitischen Chiffren und Bildern strotzenden Verschwörungsmythen, die zum Ausdruck kommen. Außerdem im Hass auf Medien und demokratische Institutionen, am meisten wohl aber in der wahnhaften ideologischen Unterordnung und Realitätsverweigerung, im Tausch von Mündigkeit gegen Hörigkeit, die das Milieu selbst als höheres Bewusstsein verkauft.
“Soldaten des Lichts” läuft seit dem 14. August 2025 deutschlandweit im Kino.
Samuel Salzborn: Samuel Salzborn: Antisemitisches Verschwörungsdenken im Rechtsextremismus, in: Samuel Salzborn: Antisemitismus seit 9 11. Ereignisse, Debatten, Kontroversen, Baden-Baden 2019, S. 158.↩
Theodor W. Adorno: Aberglaube aus zweiter Hand, in: Rolf Tiedemann (Hg.): Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften. Digitale Bibliothek Bd. 97. S. 2813-2839, hier: S. 2821.↩